Viele meiner Leser*innen wissen, dass mir das Thema Sternenkinder ganz besonders am Herzen liegt, seit ich 2011 das erste Sternenkind fotografiert habe.
Inzwischen ist viel passiert.
Die Leute, die noch vor 10 Jahren skeptische Stirn gerunzelt haben, nicken inzwischen wohlwollend, weil sie irgendwann doch mitbekommen haben, wie heilsam und tröstend Sternenkindfotografie für die Eltern sein kann (nicht zuletzt dank der vielen positiven Studien zur Trauerverarbeitung, die es zum Thema "Erinnerungsbilder von Sternenkindern" inzwischen gibt.)
Die Wassermethode, für die auch ich mich seit drei Jahren einsetze, hat inzwischen in etlichen Kliniken Einzug gehalten. Das ist für Eltern, die ihre Sternchen noch ein Weilchen bei sich haben wollen, aber auch für sanftere Sternchenbilder ein echter Gewinn!
Manche Menschen jedoch fangen immer noch an, die Augenbrauen zu heben, wenn es um den sehr frühen Verlust eines Babys geht.
"Da war doch noch gar nichts da!",
"Das war sicher schwerst behindert - gut, dass die Natur das geregelt hat!",
"Glücklicherweise so früh - da freut man sich ja noch nicht so!"
...sind nur einige Aussagen, die von frühen Abgängen betroffen Eltern zu hören bekommen.
Nur wenige Leute können sich vorstellen, dass auch der Verlust einen 'ganz kleinen Menschen' für manche Eltern unendlich schwer sein kann.
Sie bedenken dabei nicht, dass es Eltern gibt, die sich seit Jahren erfolglos ein Kind wünschen, und für die dieses winzige Wesen bereits das 'Größte' ist, was sie bzgl. ihres Kinderwunsches je erreicht haben.
Sie übersehen vielleicht, dass es Eltern gibt, die sich vom ersten Tag an so sehr freuen, dass ihnen auch ein Kind vor der 12. Woche bereits innig ans Herz gewachsen ist.
Sie bemerken nicht, dass es Eltern gibt in deren Bekanntenkreis alle anderen längst glückliche Eltern sind, während man ihnen vielleicht gerade gesagt hat, dass sie nach diesem Abgang nie mehr schwanger werden können.
Sie wissen nicht, dass es Eltern gibt, die dieses Kind bewusst gehen lassen mussten, weil bei ihrem Kind oder auch ihnen selbst(!) eine schwere Erkrankung diagnostiziert wurde, die nur behandelbar ist, wenn sie kein Kind mehr in sich tragen.
Wusstet ihr, dass ca.20 - 30 % aller Frauen erleiden im Laufe ihres Lebens mindestens eine 'Fehlgeburt' (verzeiht das Wort) erleiden? (Definition 'Fehlgeburt' laut Bundesgesundheitsministerium: "Das Kind kommt vor der 24. Woche zur Welt oder wiegt weniger als 500 Gramm.")
Die meisten dieser stillen Geburten passieren in den ersten drei Monaten aufgrund einer Entwicklungsstörung des Embryos.
Generell steigt die Wahrscheinlichkeit eines Abgangs, je älter die Frau ist.
Soweit die physiologischen Fakten.
Für die Psyche bedeutet es: Für viele Frauen ist so eine ‚kleine Geburt‘ trotz der frühen Wochen ein sehr schwerer Verlust. Besonders, wenn sie noch kein Kind haben und schon älter sind.
Eine Studie aus dem Jahr 2018 ergab, dass 4-6 Wochen nach der Fehlgeburt bis zu 20 % der Frauen Symptome einer angehenden Depression zeigten. Bei queeren Frauen waren die Zahlen noch höher, weil sie es schwerer haben, überhaupt schwanger zu werden.
.
Bitte nehmt auch bei diesen 'kleinsten' Geburten wahr:
Wenn wir Menschen verlieren, die bereits auf der Welt waren, trauen wir über vergangene Momente und über das Fehlen eines Menschen, den wir gekannt haben. Und andere trauern mit uns (was tröstlich ist).
Die Trauer nach Fehlgeburten ist eine Trauer über die verlorene Zukunft und darüber, dass wir den vielleicht wichtigsten Menschen in unserem Leben nie kennenlernen durften.
Aber wir trauen fast immer allein.
Die Frage, die ich mir als Fotografin auch dieser ganz früh geborenen Kinder immer wieder stelle, ist:
"Wie kann ich es auch bei den ganz Kleinen so würdevoll wie möglich gestalten?
Wie schaffe ich es, Bilder eben nicht in irgendeiner Spuckschüssel oder auf einem grauen Klinikpapiertuch
zu machen, oder Bilder in denen dieses winzige Wesen komplett in seinem Schiffchen* versinkt?"
(*Schiffchen sind die kleinen genähten Stoffschlafsäcke für Sternenkinder)
Für mich hat sich vor allen die Wassermethode als sehr hilfreich erwiesen.
Ein weiterer wichtiger Punkt (für mich als Fotografin) sind die Dinge, die das Kind umgeben sollen.
Mir ist dabei immer wichtig, es so schlicht und natürlich wie möglich zu lassen.
Auch und gerade, wenn das Kind ein wenig 'versehrt' ist, denke ich, dass Unschärfen sogar hilfreich in Fotos sein können.
(Am besten, soweit möglich, mit den Eltern offen darüber sprechen!)
Ich weiß: Bilder von Sternchen, die auch Menschen, die so etwas noch nie gesehen haben, nicht doch ein wenig 'erschrecken' sind nicht immer möglich und oft sehr schwer zu machen.
Wer so etwas oft gesehen hat, kommt gut damit klar, aber die Menschen denen das zu ersten Mal widerfährt oder die spontan damit konfrontiert werden, sind oft überfordert.
So ist es einfach. Und es ist - meiner Ansicht nach - verständlich.
Mit dem hier gezeigten Bildern möchte allen Zweiflern aber auch vor allem (angehenden) Sternenkindfotograf*innen zeigen, wie wir vielleicht trotzdem als Fotografen das Beste beim 'Sichtbarmachen' dieser ganz kleinen Sternchen aus unseren Möglichkeiten herausholen können.
Deshalb fasse ich euch hier einmal meine bewährtesten Tipps zusammen:
1. Habt Mut!
2. Lest euch sehr gerne den Artikel zu Wassermethode durch. Auch bei ganz Kleinen, die schon einen Weile auf 'dem Trockenen' lagen, wirkt sie oft noch Wunder!
3. Sprecht offen mit den Eltern. Gerade bei kleineren Geburten sind die Eltern zwar auch oft unter Schock, aber besser ansprechbar als bei Babys, die um den ET herum verstorben sind.
Dafür ist die Chance bei so frühen Geburten gering, Bilder machen zu können, die diese Eltern auch anderen zeigen können. (Der Wunsch nach der Sichtbarkeit ihres Kindes (zumindest im privaten Rahmen) besteht aber sehr häufig!
Daher kann man ihnen eine besondere Freude machen, wenn diese Bilder 'sanft' sind.
Bitte vergesst nie:
Vielleicht wird dieses winzige Wesen für immer das einzige Kind sein, das sie haben.
4. Nehmt euch Blumen und Blätter mit, die findet man (sofern kein Winter ist) in jedem Krankenhausgarten. (Und wenn die stille Geburt zuhause stattfinden darf, dann gibt es vielleicht auch noch mehr Möglichkeiten).
--> Wenn ihr das Kind darauf/damit fotografiert habt, gebt die Blumen oder Blätter den Eltern zum Pressen mit. So habe sie eine weitere bleibende Erinnerung!
4. Packt eine schöne "Unterlage" ein. Das kann ein schöner Stoff, eine Holzplatte oder auch vielleicht ein mittelgroßer runder Kiesel sein. Auch diese Sachen könnt ihr gerne bei den Eltern lassen. Man kann diese Dinge nach dem Fotografieren z.B. für sein Kind bemalen...
5. Für die ganz kleinen Kinder eignen sich besondere 'Bettchen', wie z.B. mit kleinen Stoffstückchen oder Wolle ausgekleidete Walnussschalen, Streichholzschachteln oder kleine Dosen.
6. Zur Bildbearbeitung:
Nutzt eure Möglichkeiten in PS und LR! Das heißt nicht, das etwas realitätsfern sein muss, aber es heisst, dass man einen Bild den 'Schrecken' nehmen kann, wenn man Dinge wie Blut oder Verletzungen abmildert. Das Kind dahinter bleibt dasselbe und kann somit wieder so aussehen, wie es das lebend im Bauch getan hat.
7. Legt aber auch einen Extra-Ordner an, auf dem die Bilder unbearbeitet sind und gebt ihn den Eltern, ebenfalls, wenn sie es wünschen. Sie können ihn öffnen, wann immer sie es wollen, müssen aber nicht.
Es kann Menschen bei der Trauerbewältigung helfen, sich der Realität zu stellen.
Falls ihr noch mehr Tipps zum würdevollen Abschied von Sternenkindern haben möchtet:
Und wer noch mehr über Sternenkinder und auch ein bisschen über meine Arbeit aber hören will, hier gibt es einen Radiobeitrag.
An diese Organisationen könnt ihr Euch wenden, wenn ihr selbst ein Sternenkind erwartet und kostenlose Bilder möchtet oder selbst als Fotograf*in mitmachen möchtet:
Sternekindfotografie in Schleswig Holstein
Sternenkindfotografen und weitere Hilfsangebote in ganz Deutschland:
Sternenkindfotografen in Deutschland, Österreich und der Schweiz:
Opmerkingen