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15. Oktober - Tag der Sternenkinder ...und warum die Begleitung verwaister Eltern so wichtig ist.

Aktualisiert: 18. Okt. 2022



Es ist ein sonniger Oktobermorgen.

Ich sitze mit der Katze am Blumenbeet und wir genießen die warme Herbstsonne. Ich denke daran, dass in nur wenigen Wochen mein erstes Enkelkind geboren wird und mein Herz hüpft leise. Plötzlich klingelt mein Handy.

Am Telefon ist ein völlig aufgelöster Vater:

„Wir haben soeben erfahren, dass unsere kleine Nele nicht mehr lebt ... Meine Frau ist in der 17. Woche. Es ist bereits das dritte Kind, dass wir verlieren.“

Ich höre ein unterdrücktes Schluchzen.

„Ist sie schon geboren?“ frage ich.

‚„Nein“, erwidert er, „Meine Frau liegt gerade mit Wehen im Krankenhaus, die Ärzte meinen, es könnte heute Nacht oder morgen soweit sein. Kannst du kommen?“


Ich sage zu.

Wir sprechen noch eine Weile darüber, wie es abläuft, wenn ich das Baby fotografiere, oder wer mich vertreten wird, wenn die kleine Nele erst später geboren wird. Ich erkläre ausführlich die Wassermethode, und bitte darum, auch noch einmal dem Krankenhaus Bescheid zu geben, alles dafür bereit zu halten. Außerdem frage ich, ob es eine psychologische Begleitung nach der Geburt gibt. Der Vater verneint. Ich schicke den Eltern eine Mail mit allen wichtigen Adressen und auch mit Ideen, wie sie sich möglichst schöne Erinnerungen an ihr Kind schaffen können, zusätzlich zu den Fotos, die wir hoffentlich machen können.


Am Abend meldet sich Eva, die Mama, noch einmal telefonisch.

Auch sie weint herzzerreißend. Nele war ihre ganze Hoffnung, nachdem sie bereits in früheren Wochen zwei Kinder gehen lassen musste. Eva ist 42 Jahre alt.

Sie hat fünf Kinderwunschbehandlungen hinter sich gebracht, bevor sie überhaupt zum ersten Mal schwanger wurde.

Vielleicht wird dies ihr letztes Kind sein.

Auch ich habe einen Kloß im Hals.

in den letzten Jahren habe ich viele ähnliche Geschichten gehört.


„Wie wird mein Kind nach der Geburt aussehen?“ fragt mich Eva.

Ich kann ihr die Frage nicht beantworten, aber ich verspreche ihr, dass gerade Kinder, die aus der Geborgenheit des Fruchtwassers In die Geborgenheit des Wassers nach der Geburt kommen dürfen, sich weniger verändern, als Kinder, die in so frühen Wochen an der Luft bleiben. Eva bleibt ängstlich.


Aber sie sagt auch: „Irgendwie bin ich froh, dass ich sie wenigstens in den Armen halten darf“.

In der Nacht wird die kleine Nele geboren. Hebamme Marietta wickelt sie vorsichtig in ein Tuch, und legt sie der Mama auf die Brust.

Es dauert leider nur wenige Minuten, bis Neles Äußeres anfängt, sich zu verändern. Aber Marietta hat bereits ein Gefäß bereitgestellt.

Vorsichtig legen Eva und Jonas ihre kleine Nele ins kühle Wasser.

Zuvor haben sie sich nicht getraut, ihr zartes Kind direkt zu berühren, aber nun ist es viel leichter, weil die zarte Babyhaut nicht mehr klebt und das sanfte Wasser jeden physischen Widerstand nimmt.




Als ich die Klinik betrete, ist bereits eine halbe Stunde vergangen, aber die Eltern halten ein fast unversehrtes Baby in einer Schale auf dem Schoß.

Beide haben verweinte Augen, aber lächeln dennoch in diesem Moment.

„Sie ist so wunderschön“, flüstert Eva.

Ich bin erleichtert.

Das Wasser hat genau das bewirkt, was mich immer wieder beeindruckt.

Die kleine Nele sieht nahezu unversehrt aus.

So schrecklich dieser Verlust für die kleine Familie ist, so tröstlich ist das Wissen darum, dass sie ihr Kind wenigstens als das kleine Wesen sehen dürfen, das es tatsächlich in ihrem Bauch war.

Und dass das Wasser Ihnen auch noch viele Stunden schenken wird, in denen sie ihr Kind noch so unversehrt bei sich haben dürfen.

Tatsächlich wird es eine Woche dauern, die Eva mit der kleinen Nele gemeinsam verbringt, bevor sie sich schließlich verabschieden wird.

Die Eltern werden sich sogar dazu entschließen, ihr Kind mit nach Hause zu nehmen. Da die kleine Nele noch weit unter 500 Gramm wiegt und zur Geburt nicht geatmet hat, ist dies erlaubt (was die wenigsten Familien wissen.).


Bestimmt wird es viele Menschen geben, die diesen Blogbeitrag lesen und mit Unverständnis reagieren, weil sie sich nicht vorstellen können, was dies tatsächlich für verwaiste Eltern bedeuten kann.

Wer jedoch jemals eine solche Situation erleben musste, weiß, wie wichtig es ist, sowohl für das Jetzt,

als auch für die Trauerzeit danach die Möglichkeit zu haben, sich angemessen verabschieden zu können.

All dies soll in größtmöglicher Würde geschehen.


Für mich als Sternenkindfotografin gehört dazu auch die „äußere“ Würde des Kindes.

Zum einen, weil Eltern und Kind das einfach verdienen, zum anderen aber auch, damit die Eltern später die Möglichkeit haben, die Existenz dieses Kindes auf Wunsch auch durch Fotos zu unterstreichen, die ‚unerfahrene‘ Betrachter nicht ‚erschrecken‘.

Denn es gibt nichts Schlimmeres für Eltern, als in den Augen der Anderen zu lesen, dass mit ihrem Kind „etwas nicht stimmt“.

So paradox es klingt:

Gerade(!), wenn sie nicht mehr die Möglichkeit haben, ein bereits verstorben es Kind zu zeigen.

Niemand reagiert absichtlich mit Abwehr.

Beide Seiten haben Angst, wenn das Foto zum ersten Mal zeigt wird, weil keiner weiß, was den anderen erwartet und der Anblick eben immer auch ungewöhnlich ist.

Ich wünsche mir gerade deshalb sehr, dass wir alle einander ohne Hürden in diesem Bereich ungekünstelt und liebevoll begegnen können.


Denn was am Ende bleibt:

Sternenkind-Eltern sind auch Eltern und werden es immer sein.


➡️

Die Wassermethode – ausführlich erklärt:

➡️

Warum auch der Verlust ganz kleiner Kinder ein großer Verlust sein kann:


Noch einmal ganz lieben Dank an alle, die mich bei dieser wertvollen Arbeit unterstützen, oder selbst einfach selbst sehr viel zu diesem Thema bewegen:


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